Im Anschluss an die erste Staffel des Kommunen-Podcasts bleibt die Initiative Kommune 360° der Beteiligung in kommunaler Verwaltung und kommunalen Planungs- und Steuerungsprozessen auf der Spur: In unserer Veranstaltungsreihe Kommune gestaltet! unter der Überschrift „Jugendhilfeplanung als Beteiligungsprozess – Kooperativ mit Adressat:innen, Trägern, relevanten Fachbereichen und der Politik zusammenarbeiten“ (05. Juli 2022) haben wir das Thema erneut aufgegriffen.
Beteiligung ist wieder einmal – oder immer noch? – in aller Munde. Wir finden: zu Recht! Und wollen diskutieren, was wir mit dem Begriff Beteiligung im Kontext von kommunaler Steuerung und Planung für gelingendes Aufwachsen von Kindern verbinden.
Der Begriff Beteiligung oder Partizipation kommt ursprünglich aus dem lateinischen: participatio. Bildungssprachlich gesehen meint es etwas wie: Teilnahme oder Teilhabe an einer gemeinsamen Angelegenheit. An dieser Stelle, so führt Marlous Behrendt (Kommune 360°) im Eingangsgespräch aus, hört die Eindeutigkeit des Begriffs aber auch schon auf. Da es verschiedene Partizipationsverständnisse, Haltungen, Verbindlichkeits- und Intensitätsgrade von Beteiligung gibt, kommt der Bewusstwerdung, Transparenz und Kommunikation als Maximen für die Gestaltung jedes Beteiligungsverfahrens eine besondere Bedeutung bei.
Das kann damit beginnen, die eigenen Überzeugungen und Beweggründe für die Beteiligung zu reflektieren. Grundlegende Überzeugung der Initiative Kommune 360° etwa ist, dass es für das gute Aufwachsen von Kindern ein Präventions- und Unterstützungssystem braucht, das wirksam, passgenau und bedarfsgerecht ist. Und um dieses so zu planen, gestalten und umzusetzen, braucht es die Einbindung und Kooperation aller relevanten Akteure. Dies meint zunächst einmal die Adressat:innen, da sie ihre Bedarfe und Situation am besten kennen. Idealerweise sollte das Unterstützungssystem entsprechend ihrer Bedarfslagen ausgerichtet werden, um die Qualität und Passgenauigkeit der Angebote zu steigern.
Über dieses grundlegende Verständnis hinaus lohnt es sich, die Interessen und Bedarfe weiterer Akteure an dem konkreten Beteiligungsverfahren und seiner Ergebnisse zu reflektieren und zu formulieren. Legitimation von Entscheidungen der Kommunalverwaltung und/oder ‑politik etwa kann ein berechtigter Anlass für Beteiligung sein, sofern es ein Thema betrifft, was auch für die Beteiligten selbst relevant ist und ihre und die Interessen weiterer Akteure an dem Verfahren als gleichwertig berücksichtigt. Der abschließende Schritt der Reflektion vor dem Verfahren ist die Frage nach der Anschlussfähigkeit der Ergebnisse. Wo, wie und wann fließen die Ergebnisse ins Verwaltungshandeln ein?
Jugendhilfeplanung als Beteiligungsprozess
Dr. Julia Nast (Kommune 360°) betont, dass wir in der Initiative nicht von Beteiligungsverfahren in der Jugendhilfeplanung sprechen – sondern davon ausgehen, dass Jugendhilfeplanung als Beteiligungs- und Kooperationsprozess gedacht werden muss.
Beteiligung setzt voraus, den Blick nicht nur auf konkrete Beteiligungsformate für die Adressat:innen zu richten, sondern auch die Anschlusssysteme in den Blick zu nehmen. Anders gesagt: Was muss sich in Verwaltung und im Zusammenspiel mit Politik und den Trägern verändern, damit die Ergebnisse von Beteiligung wirklich umgesetzt werden können? Wenn wir Kinder und Jugendliche fragen, welche Bedarfe sie haben, dann formulieren sie diese in der Regel nicht entlang von Zuständigkeiten. In der Praxis beobachten wir oft: um Beteiligungsergebnisse in der Planungspraxis zu berücksichtigen, braucht es ressortübergreifende Antworten. Denn oft hat das Ressort, das beteiligt, gar nicht das Mandat auf die geäußerten Bedarfe zu reagieren und ist auf die Kooperation anderer Fachbereiche angewiesen.
Auch im Zusammenspiel mit Trägern und der Politik kann es im Zuge von Beteiligung zu Interessenskonflikten kommen, wenn die regelmäßigen Angebote von Trägern zum Beispiel plötzlich durch Beteiligungsergebnisse in Frage gestellt werden oder wenn Jugendliche andere Schwerpunktthemen sehen als die Politik. Darauf muss man sich einlassen – für die Qualität zahlt es sich aber aus.
Wenn also Adressat:innen und ihre Perspektiven fester Bestandteil der Gestaltung der Jugendhilfelandschaft werden, dann heißt das auch, dass sich Routinen in der Umsetzung und das Zusammenspiel von allen beteiligten Akteuren verändern müssen. Eine beteiligungsorientierte Jugendhilfeplanung setzt also eine Veränderung im Gesamtsystem voraus – nicht nur innovative Beteiligungsformate. Idealerweise geht es darum, verschiedene Perspektiven – also von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Trägern, der Politik und der Verwaltung – in einen kooperativen, kollaborativen Gestaltungsprozess zu bringen. Und so in neuer Qualität Teilhabe an einer gemeinsamen Angelegenheit zu gestalten.
Einblicke aus der Praxis
Auf dieser inhaltlichen Grundlage diskutierten die Teilnehmenden der Veranstaltung in insgesamt sechs verschiedenen digitalen Räumen:
Einblicke gab es zum Beispiel in die Herangehensweise des Kinder- und Jugendbüros der Stadt Wolfsburg, wie die verwaltungsübergreifende Zusammenarbeit im Jugendhilfeplanungsprozess am Beispiel von Kinder- und Jugendbeteiligung gefördert werden kann. Der Verein Kinderfreundliche Kommunen e.V. stellte vor, wie Beteiligung von Kindern und Jugendlichen strukturell in der Verwaltung verankert werden kann und welche Folgen sich daraus für Planungsprozesse ergeben können. In einem weiterem Workshop wurde in den Blick genommen, wie politische Vertreter:innen für (mehr) Beteiligung von Kindern und Jugendlichen überzeugt werden können. Hier wurde unter anderem über die Entwicklung einer Vertrauensbeziehung zwischen Verwaltung und Politik gesprochen; vom Tranparentmachen, was aus politischen Beschlüssen für mehr Beteiligung geworden ist und von einem geschickten Herausarbeiten des Mehrwerts von Beteiligung und der passgenauen Ansprache von Politik durch Verwaltung. Darüber hinaus wurde von CrowdInsights eine digitale Beteiligungsplattform vorgestellt, die Beteiligungsprozesse unterstützen kann.
In einem offenen Austauschforum konnten die Teilnehmenden ihre eigenen Fragen einbringen und diskutieren. Ein zentraler Diskussionspunkt dabei: Wen erreichen wir eigentlich mit unseren Beteiligungsformaten? Dabei wurde deutlich, dass es eine prinzipielle Achtsamkeit und Sensibilität dafür braucht, dass es auch Personen gibt, die sich nicht selbstverständlich beteiligen oder sogar als „schwer erreichbar“ gelten. Um auf diese Ausgangslage zu reagieren, braucht es zumindest Klarheit darüber, wen man nicht erreicht. Dann kann gezielt gegengesteuert werden – etwa durch aufsuchende Formate. Sozialdaten können helfen, besser einzuschätzen, ob die Interessen bestimmter Gruppen in Beteiligungsformaten überproportional vertreten sind oder die tatsächliche Zusammensetzung vor Ort widerspiegeln. Darüber hinaus waren sich die Teilnehmenden einig, dass es nicht nur zwischen verschiedenen Gruppen Unterschiede darin gibt, wie erfolgreich sie ihre Interessen in Beteiligungsprozessen einbringen können. Machtgefälle spielen auch eine Rolle, wenn eine Seite beteiligt und die anderen beteiligt wird. Sich dieser Spannungsfelder bewusst zu sein, ist neben den passenden Beteiligungsformen und ‑methoden ein zentraler Gelingensfaktor.
Jugendhilfeplanung als Beteiligungsprozess zu verstehen, heißt, dass sich das Zusammenspiel von Verwaltung, Politik, Trägern und Kindern und Jugendlichen grundsätzlich verändert – letztendlich auch in den Haltungen und der Arbeitskultur.