Der Lernpfad Führung ist die erste Weiterbildung der Initiative Kommune 360°. Der erste Durchgang startete im Herbst 2023 und richtet sich explizit an Jugendamtsleitungen im Rheinland. In diesem Magazinbeitrag gibt Keno Franke Einblicke in eines der Kernkonzepte des Lernpfads: das zweite Betriebssystem.
Integrierte Gesamtstrategien zielen darauf ab, dass Verwaltungsmitarbeitende mit Hilfe neuer bzw. anderer Strukturen, Prozesse und Gremien besser miteinander zusammenarbeiten können. Dadurch sollen Querschnittsthemen produktiver bearbeitet werden. Damit Verwaltungsmitarbeitende ressortübergreifend zu diesen Themen arbeiten können, sollte das starre, hierarchische Organigramm – das erste Betriebssystem, durch das unterstützende, zweite Betriebssystem ergänzt werden.
Querschnittsthemen können grundlegend (z.B. Digitalisierung, Fachkräftemangel), fachlich (z.B. Aufwachsen in Wohlergehen) oder zielgruppenspezifisch (z.B. Kinder im Alter von null bis sechs Jahren) sein.
Das zweite Betriebssystem: Eine Chance für Veränderung
Das zweite Betriebssystem ermöglicht den Austausch über Ressort- und Hierarchiegrenzen hinweg. Damit dies erfolgreich gelingt, müssen Dinge an unterschiedlichen Stellen angepasst werden: Neue Stellen- und Rollenprofile sind notwendig. Bestehende Strukturen und Prozesse müssen über- bzw. neu gedacht werden. Die Herausforderung besteht darin, das zweite Betriebssystem nicht unabhängig vom ersten zu entwickeln. Vielmehr stellt das zweite Betriebssystem ein Unterstützungssystem dar, dass entsprechend anschlussfähig entwickelt werden sollte.
Führungskräfte gestalten eine neue Qualität der Zusammenarbeit in ihrer Abteilung bzw. ihrem Amt. Sie können durch und mit Hilfe ihres Führungsstils positiv auf das zweite Betriebssystem einwirken, denn: Insbesondere Führungskräfte prägen ihr Team bzw. ihr Amt, in dem sie gute Rahmen- und Arbeitsbedingungen schaffen – sowohl für Ihre Teams als auch für einzelne Mitarbeitende.
Sich sicher fühlen und frei entfalten
Von Mitarbeitenden erfordert das Arbeiten im zweiten Betriebssystem neue Fähigkeiten – oft auch „Future Skills“ genannt. Dazu zählen vor allem die Ambiguitätstoleranz (Wie verarbeite ich verschiedene Strukturen in all ihrer Unterschiedlichkeit?) und die Kooperationsfähigkeit (Wie arbeite ich gut mit anderen zusammen?).
Führungskräfte unterstützen, fördern und fordern ihre Teams und Mitarbeitenden im zweiten Betriebssystem auf unterschiedliche Weise. Aber zwei entscheidende Hebel bestehen darin, eine Kultur der psychologischen Sicherheit sowie des selbstorganisierten Arbeitens zu fördern.
Psychologische Sicherheit
Die Auswirkungen psychologischer Sicherheit sind gut erforscht: Mitarbeitende, die in psychologisch sicheren Umgebungen arbeiten, machen ihre Stärken sichtbarer, tauschen Wissen eher aus und unterstützen sich öfter gegenseitig. Sie sind insgesamt psychisch gesünder und fühlen sich unterstützter (z.B. durch ihre Führungskräfte).
Das Konzept der psychologischen Sicherheit nach Amy C. Edmondson beschreibt den Prozess hin zu einer Arbeitskultur, in der sich Menschen einbringen, ihren Beitrag als wirksam erleben und so komplexe Aufgaben und Veränderungen bewältigen können.
(Auszug aus dem Change-Guide)
Das Gute daran: Psychologische Sicherheit ist – anders als z.B. selbstbewusst sein – kein individueller Wert. Anders gesagt: Psychologische Sicherheit für Mitarbeitende lässt sich von anderen herbeiführen. Führungskräfte können z.B. ihre Rolle als Moderator:innen in Gremien und Prozessen nutzen, um stille Stimmen hörbar zu machen. Kolleg:innen wiederum können einander dazu ermutigen, sich einzubringen und Wertschätzung füreinander durch positives Feedback ausdrücken.
Möchten Sie mehr zum Thema “Psychologische Sicherheit erfahren”? Dann kommen Sie gerne zu unserer digitalen Kommune gestaltet-Veranstaltung am 23. April 2024 um 13:00 Uhr. Dort widmen wir uns dem Thema ausführlicher.
Weitere Informationen finden Sie bald hier.
Selbstorganisiertes Arbeiten
Damit bereichsübergreifendes Arbeiten gelingt, braucht es mehr Handlungs- und Entscheidungsräume für Mitarbeitende. Mitarbeitende im zweiten Betriebssystem finden sich in neuen Umgebungen wieder, z.B. in bereichsübergreifenden, möglicherweise auch hierarchieübergreifenden Arbeits- und Projektgruppen. Dafür brauchen sie sowohl einen klaren Auftrag als auch ein klares Mandat für das, was sie in diesen Runden mitentscheiden dürfen.
Das ist, gerade am Anfang, ein Aushandlungsprozess zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden: Wie viel Gestaltungsspielraum ist die Führungskraft bereit abzugeben? Und: Wie viel Verantwortung ist der bzw. die Mitarbeiter:in bereit zu übernehmen?
Keine Angst vor der Anarchie
Im Vergleich zu stark hierarchisch organisierten Teams sind selbstorganisierte Teams (mit psychologisch sicherer Arbeitsumgebung) besser darin, die Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeitenden zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie nutzen ihre Perspektivvielfalt produktiv und reagieren sicherer und agiler auf neue Herausforderungen.
Wichtig und oft überraschend: Gerade zu Beginn ist selbstorganisiertes Arbeiten oft geprägt von mehr „Regeln“ und Verabredungen. Genaue Absprachen und das Abstecken gemeinsamer Ziele und Wege dorthin sind notwendig, damit sich alle Beteiligten in ihrer (möglicherweise neuen) Rolle zurechtfinden und wohlfühlen.
Führungskräfte bereiten den Weg
Führungskräfte haben die größte Expertise über ihr Amt und das Wissen darüber, welche Expertise in Ihrem Amt schlummert! Diese Expertise kann für einen Change Prozess (denn sind wir ehrlich: nichts anderes ist ein geordnetes Arbeiten in und mit einem zweiten Betriebssystem) genutzt werden.
Das können Sie tun:
- Mit Hilfe einer Akteursanalyse führen sich Führungskräfte vor Augen, wer im Amt arbeitet und wie relevant welche Person für einen bestimmten Prozess ist. Sie geben Aufschluss darüber, ob diese Person einen Prozess unterstützt oder ausbremst.
- Eine Strukturanalyse zeigt auf, in welchen Konstellationen diese Personen aufeinandertreffen: Welche Strukturen und Gremien gibt es bereits, die für einen Austausch geeignet wären? Treffen die richtigen Personen in geeigneten Runden auf die richtigen Personen?
- Mit bilateralen Mitarbeitendengesprächen erhalten Sie Einblick in die Gefühlswelt Ihrer Mitarbeitenden. Sie können gemeinsam persönliche Ziele stecken, das gemeinsame Wirken reflektieren und Erfolge gemeinsam feiern.
Wir glauben: Führungskräfte haben das große Potenzial, Mitarbeitende mit ausreichend psychologischer Sicherheit und einem angemessenen Mandat in diese richtigen Kontexte zu bringen. So sorgen sie maßgeblich dafür, dass das zweite Betriebssystem seine Wirkung entfalten kann.
Haben Sie Interesse an der Durchführung dieses Fortbildungsangebots in Ihrem Bundesland? Kommen Sie gern auf uns zu!