Welche Veränderungen brauchen Kommunen, um integriert zu arbeiten und gesamtheitliche Lösungen zu finden? Wie funktionieren Veränderungsprozesse konkret? Wie können Kommunen ihre Veränderungs‑, Innovations- und Gestaltungsfähigkeit ausbauen? Und welche Rolle kommt darin explizit kommunalen Leitungskräften zu? Diese Fragen diskutierten wir im Herbst 2021 im Rahmen zweier Veranstaltungen für und mit kommunalen Akteur:innen.
Die Corona-Pandemie hat uns in aller Deutlichkeit gezeigt, wie wichtig es ist, die Handlungsfähigkeit von Kommunen dauerhaft zu stärken, um auch unter hohem Veränderungsdruck schnelle und bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln. Um Kindern und ihren Familien auch in Krisenzeiten die notwendige Unterstützung für ein gutes Aufwachsen geben zu können, müssen sich Kommunalverwaltung und ‑politik hohen Anforderungen stellen: Es gilt, integrierte Ansätze zu entwickeln und ein gelingendes Zusammenwirken der vielen beteiligten Akteure zu koordinieren – auch und gerade unter hohem Veränderungsdruck.
Vor diesem Hintergrund diskutiert die Initiative Kommune 360°, inwiefern integrierte Planung als Veränderungsprozess zu verstehen ist und welche Handlungsansätze sich daraus ergeben können. Denn um zu einem übergreifenden Verwaltungshandeln und kooperativem Zusammenwirken mit anderen Akteur:innen zu gelangen, müssen Barrieren überwunden und neue Arbeitsformen etabliert werden. Dies bedeutet für alle Beteiligten Anpassungen mit Blick auf Abläufe, Aufgaben, Zuständigkeiten bis hin zu grundlegenden Veränderungen in der Arbeitskultur. Solche umfassenden Veränderungen zu planen, anzugehen und weiterzuentwickeln ist ein andauernder und individueller Prozess.
Am 13. und 14. September 2021 luden wir unter der Überschrift „Change – Integrierte Planung als Veränderungsprozess“ zum Herbstforum ins grüne Umland Berlins ein, um uns mit Mitarbeitenden und Leitungskräften aus kommunalen Verwaltungen über die Zusammenhänge von integrierter Planung und kommunalem Change auszutauschen.
Praxisberichte von Veränderungsprozesse aus den Kommunen Neumünster, Bochum, Karlsruhe und Mannheim gaben konkrete Einblicke, welches Potential in integrierter Planung als Veränderungsprozess liegt und auch, wie mit unvermeidbaren Barrieren und Hindernisse umgegangen werden kann.
Im intrakommunalen Austausch über die eigenen Herausforderungen, Lösungsansätze und Impulse entstanden Bilder wie das vom „Elefanten in Scheiben schneiden“. Es meint, achtsam und schrittweise Veränderungen voranzubringen, mit Blick auf eigene Ressourcen und Erwartungen. Dies beinhaltet auch, aus- und durchzuhalten, wenn gewohnte, alte Muster locken oder (zu) wenig Bewegung im Prozess erlebt wird. Ein zweites Bild, das zum Nachdenken einlädt, war das eines Pendels, mit welchem die Teilnehmenden den Impuls für Veränderung in der Hierarchie der Verwaltung verorteten – nämlich in einer notwendigen dialogischen Bewegung und guter Kommunikation zwischen der Basis der Mitarbeitenden und der Führungsebene. Dies braucht es für gelingende Veränderung in jedem Fall: Offenheit, gute Ideen auf allen Ebenen und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und voneinander zu lernen.
Dieses gelingende Wechselspiel zwischen Mitarbeitenden und Leitungskräften war auch eines der Themen auf dem digitalen Symposium für kommunale Leitungskräfte am 16. November 2021. Die gewohnten hierarchischen Strukturen brächten unhinterfragt Vorteile bezüglich Effizienz und Stabilität, so die Referentin Dr. Nicole Riemer (osb international), seien aber nicht sehr flexibel. Das dahinterliegende zweite Betriebssystem agiler Kommunikation, Arbeitsorganisation und Steuerung bewusst zu entwickeln, erhöhe hier sehr die Chancen, passgenaue Lösungen gestalten beziehungsweise Veränderungsprozesse gelingend angehen zu können. Für Führungskräfte entsteht dann die Aufgabe, sich quasi als Spieler:in in hierarchischen Strukturen und zugleich agil in den fluiden herausforderungsorientierten Strukturen des zweiten Systems bewegen und positionieren zu können. Die so beschriebene Ambidextrie, also der Gleichzeitig- oder Beidseitigkeit des Handelns war nur ein diskutierter Aspekt der besonderen Aufgabe und Funktion von Führung in Veränderung. Der Führungskraft kommt vieles zu: die Vermittlerrolle, Botschafter:in nach innen und nach außen, Kümmerer:in, und vieles mehr. Nur gänzlich Teil einer Gruppe (ihrer Abteilung oder der Leitungsebene) zu sein, ist ihr nicht vergönnt. In einer besonderen Zwischenposition „auf dem Zaun“ zwischen eigener Abteilung und der Verwaltung, generiert sie permanent Irritationen als Impulse. Diese bewusst und mit strategischer Absicht zu setzen, wäre Anerkennung der zentralen Funktion von Führungskräften: dem Management von Veränderung. Teams brauchen keine Helden als Führungskräfte, so die Erkenntnis.
Im weiteren Austausch berichteten die Teilnehmenden des Symposiums von eigenen Erfahrungen und kommunalen Prozessen – von Mauern, vor denen sie derzeit stehen und Handlungsansätzen, die sie als gewinnbringend erfahren konnten.
Etwa über die Bedeutsamkeit der sorgfältigen Gestaltung von Sprache und Kommunikation auf dem Weg zur Veränderung. Ist dieser oder jener Begriff geeignet und anschlussfähig, um meinem Gegenüber – ob Mitarbeiter:in oder Leitungskolleg:in – den nächsten Schritt zumindest nicht zu verbauen?
Trotz jeder noch so guten Aushandlung, Beteiligung und Anstrengung hin zum Kollegialen: Am Ende des Tages bleiben doch oft eine Reihe wichtiger Entscheidungen bei der Führungskraft liegen und nicht gerade die simplen. Wie in zunehmend komplexen Fragen dennoch qualitativ gut entscheiden? Ebenso wie mit der Kommunikation im Ganzen, bleibt hier größtmögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit das Mittel der Wahl, wenn sie die Stationen des Entscheidungsprozesses offenlegt und vergemeinschaftet, so die Referentin.
Wenn Führungskräfte nach Bündnispartner:innen für den angestrebten Veränderungsprozess suchen, kann dies besonders herausfordernd sein. Ihre besondere Rolle kann zu Isolation und Vereinsamung führen, eine Erfahrung, die manche der Teilnehmenden bestätigten. Im Leitungsteam kann es zuweilen erst einmal notwendig sein, einen Dialog über gemeinsame Werte von Führung zu initiieren, um das Einzelkämpferstadium und ‑stadion verlassen zu können. Nicht immer gelingt das und da echte Veränderung immer auch an Emotionen stößt, ist mit Verletzungen zu rechnen und diese zu pflegen.
Hier erweist sich Changemanagement letztendlich auch als Selbstmanagement und Selbstfürsorge und das gilt für veränderungsaffine Fach- und Führungskräfte in der Verwaltung gleichermaßen: Was ist machbar, was kann ich erreichen? An welcher Stelle komme ich mit Gelassenheit und positiver Unterstellung der Motivationen meines Gegenübers weiter als im motivierten Festbeißen? Dass es immer auch Geduld und Zeit braucht, scheint ein Gemeinplatz und war den Teilnehmenden unserer beiden Veranstaltungen auch sehr wichtig und scheinbar „allen klar“. Dass diese Tatsache immer wieder betont wird, kann aber auch darauf hinweisen, dass sie im Alltag eben oft vergessen oder übergangen wird. Changemanagement kann auch bedeuten, so Nicole Riemer, sich die Zeit zu nehmen, sich zu eichen. Und in Anerkennung vor der Komplexität sozialer Systeme wie der Verwaltung einfach nur da sein, als Resonanzkörper und Vorbild die Erfolge der eigenen Arbeitsweise für sich stehen und wirken zu lassen.
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Patrizia Hager
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