In den kommenden Wochen stehen die Koalitionsverhandlungen für die nächste Bundesregierung im Fokus der Öffentlichkeit. Wir fragen uns: Inwiefern wird modernes Verwaltungshandeln für gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen thematisiert? Unsere Recherche hat gezeigt: Impuls- oder Positionspapiere für ein anderes Verwaltungshandeln speziell für den Kontext der Jugendhilfe sind rar gesät. (Schade.)
Viel Aufmerksamkeit erhalten Themen der Verwaltungstransformation im Kontext der Digitalisierung bzw. des Bürokratieabbaus. Deren Impulse sind auch für die Arbeit der Kommunen und die Frage nach integrierten Steuerungs- und Planungsansätzen in der Jugendhilfe relevant. Daher werfen wir einen Blick nach rechts und links: Was fordern andere Akteure? Welche Themen heben sie hervor? Unten haben wir ihnen drei spannende Lesetipps zusammengestellt. Haben Sie Gedanken dazu? Dann schreiben Sie uns gerne!
1. Kinder und Jugendliche sind systemrelevant – Ein Zwischenruf zur Bundestagswahl vom Qualitätsverbund Präventionsketten
Das aktuelle Positionspapier vom Qualitätsverbund Präventionsketten zielt direkt auf die Praxis der kommunalen Jugendhilfe und Sozialplanung ab. Die zentrale Botschaft: Präventionsketten wirken – aber sie brauchen verlässliche politische Rahmenbedingungen. Dazu gehören z.B. ressortübergreifendes Arbeiten auf Landes- und Bundesebene für abgestimmte Qualitäts- und Strategieentwicklung sowie Maßnahmen und Gesetzesvorhaben. Außerdem fordert der Qualitätsverbund, dass Beteiligung als Kinderrecht verankert wird und von Politik und Verwaltung entsprechend priorisiert wird.
„Dass es Beteiligung nicht zum Nulltarif gibt und verbindliche gesetzliche Regelungen Konnexität auslösen können, darf nicht als Grund dafür gelten, in diesem Feld als Gesetzgeber schwache Rechtsnormen zu formulieren. Wir haben uns als Gesellschaft darüber klarzuwerden, was uns Beteiligung wert ist”
Das Positionspapier spricht auch den Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ (NAP) und strukturelle Armutsprävention an. Seit diesem Jahr sind wir ebenfalls Teil des NAP-Ausschusses. Nicht nur deshalb begrüßen wir das Positionspapier des Qualitätsverbundes. Hier geht’s zum Zwischenruf.
2. Strategiepapier des Nationalen Normenkontrollrats: Weniger Bürokratie, mehr Gestaltungsspielraum
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat im Februar 2025 ein neues Strategiepapier vorgelegt. Darin beschreibt er, wie die nächste Bundesregierung eine effektive Bürokratieentlastung angehen könnte – ein Thema, das gerade Kommunen viel beschäftigt.
Aus unserer Sicht ist besonders Punkt 4 spannend: Dort macht der NKR fünf Vorschläge, um die Leistungsfähigkeit und Krisenfestigkeit der Verwaltung zu erhöhen. Der NKR spricht hier die zentrale Rolle der Kommunen und ihre Überlastung an. Der Personalmangel wird sich weiter verschärfen. Die Digitalisierung der Verwaltung geht nur langsam voran und kann die steigende Arbeitsbelastung deshalb nicht ausreichend kompensieren.
„Die Leistungsfähigkeit der Verwaltung ist ernsthaft in Gefahr. Umso wichtiger ist es, die organisatorische Komplexität staatlicher Aufgabenerfüllung zu vereinfachen, lokale Freiräume zu schaffen und auf diese Weise für Entlastung zu sorgen. Zudem bedarf es mehr Wirkungsorientierung bei der Definition politischer Ziele und ihrer Umsetzung im Vollzug sowie mehr Transparenz über die Qualität von Verwaltungshandeln“
Wir sagen: Bürokratieabbau ja, aber mit Bedacht. Auch in der Jugendhilfe gibt es bürokratische Anforderungen, die lähmen. Dennoch agieren wir hier in einem Kontext mit komplexen Schutz- und Beteiligungsanforderungen mit denen es sensibel umzugehen gilt. Ein möglicher Bürokratieabbau muss immer auch die Qualität in der Jugendhilfe absichern.
Wie der NKR die Verwaltung leistungsfähig und krisenfest aufstellen will, lesen sie im Strategiepapier nach.
3. Was in den Koalitionsverhandlungen wichtig wird – Analyse bei Table.Media
In seinem Gastbeitrag für Table.Forum Staatsreform legt Oliver Bott, Projektmanager im Bereich „Digitalisierte Gesellschaft“ der Stiftung Mercator, einen starken Fokus auf Digitalpolitik. Doch zwei Punkte sind auch für die Jugendhilfe spannend und relevant:
Bott spricht vom „Kulturkorsett“ der öffentlichen Verwaltung, an dem Reform- und Digitalprojekte scheitern. Gemeint sind starre Strukturen und oftmals langwierige Prozesse. Helfen würden seiner Meinung nach vernetzte Teams, agile Projektmethoden und messbare Wirkungsziele.
„Was bei erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen Usus ist, wäre für die deutsche Politik und Verwaltung fast revolutionär. Doch es wird langwieriger struktureller Reformen bedürfen, um nachhaltigen Wandel zu bewirken. Hier wird die neue Regierung Durchhaltevermögen beweisen müssen“
Außerdem spricht Bott die Zivilgesellschaft als Katalysator dieses Kulturwandels an. Als Beispiele im digitalpolitischen Kontext führt er gemeinnützige Organisationen wie Re:Form, Agora Digitale Transformation oder das NExT-Netzwerk der Verwaltung an:
„Sie orchestrieren Pilotprojekte, analysieren Verbesserungspotenziale, bieten Austausch- und Vernetzungsplattformen. Sie übernehmen wichtige Aufgaben, für die sich der Staat nicht zuständig sieht und bei der die Wirtschaft kein Geld verdienen kann”
Auch wir als Initiative Kommune 360° entwickeln gemeinsam mit Kommunen Impulse und Ideen für den Kulturwandel in der Verwaltung. Dafür legen wir den Fokus auf innovative Planungs- und Steuerungsansätze in der Jugendhilfe. Auch das Feedback, dass uns zu unseren Veranstaltungen und Weiterbildungen, dem Kommunen-Podcast und dem Change-Guide erreicht, zeigt, dass es weiterhin solche Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten braucht. Die ganze Analyse finden Sie hier.