Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz steht auch für ein „Mehr“ an Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien in der Kinder- und Jugendhilfe. Junge Menschen sollen mehr Gehör erhalten und darin unterstützt werden, ihre Rechte wahrzunehmen. Bekräftigt wird diese gesetzliche Weiterentwicklung mit der Einführung eines neuen Paragraphen. Der § 4a SGB VIII beschreibt in drei Abschnitten die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit und Förderung von so genannten „Selbstorganisierten Zusammenschlüssen und Selbstvertretungen“.
Was steht im Gesetz?
Das Gesetz sieht vor, dass vor allem „Leistungsberechtigte und Leistungsempfänger“ (§ 4a SGB VIII, Abs. 1) der Kinder- und Jugendhilfe sowie in diesem Feld ehrenamtlich tätige Personen sich in Zusammenschlüssen organisieren können sollen. Die Zusammenschlüsse sollen dabei explizit keine Personen umfassen, die „in berufsständische Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe“ (ebd.) eingebunden sind und langfristig das Ziel verfolgen, Adressat*innen der Kinder- und Jugendhilfe „zu unterstützen, zu begleiten und zu fördern“ (§ 4a SGB VIII). Die öffentliche Jugendhilfe soll mit diesen Selbstvertretungen partnerschaftlich zusammenarbeiten und wird explizit dazu angehalten solche selbstorganisierten Zusammenschlüsse anzuregen und zu fördern (vgl. § 4a SGB VIII, Abs. 2 und 3).
Und was steht nicht drin?
“Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz bietet uns einerseits die Möglichkeit, Beteiligung viel breiter zu denken und entsprechende Formate weiterzuentwickeln. Auf der anderen Seite ist das Konzept der Selbstorganisierten Zusammenschlüsse und Selbstvertretungen nicht zu Ende gedacht. Der Paragraph 4a lässt mehr Fragen offen, als er Antworten liefert.“ – Peter Kühn, Sachgebietsleiter Jugendhilfeplanung, Stadt Dresden
Offen bleiben die Fragen der praktischen Ausgestaltung dieser Anforderungen. Obwohl die Zielgruppe grob benannt ist, ist nicht abschließend geklärt, welche konkreten Personenkreise der Definition selbstorganisierter Zusammenschlüsse entsprechen. Unklar bleibt auch der Grad der (dauerhaften) Organisiertheit solcher Selbstvertretungen. Darüber hinaus ist nicht hinreichend geklärt, welche Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten die öffentliche Jugendhilfe an dieser Stelle derzeit leisten kann und perspektivisch sollte.
Der Dresdner Weg: Grundlegend und partizipativ
Für die Dresdner Jugendhilfeplanung war ziemlich schnell klar: Mit dem Gesetzestext allein kommen wir nicht weiter. Es braucht ein praxistaugliches Konzept zur Umsetzung der neuen Bestimmungen. Gesagt, getan: Die Stadt Dresden beauftragte Die IU Internationale Hochschule mit der Entwicklung eines Umsetzungskonzeptes für Dresden. Dabei wurde das Projekt von Beginn an multiperspektivisch aufgestellt und eine Projektgruppe bestehend aus dem Kinder- und Jugendbüro Dresden (KiJuB), dem Kinder- und Jugendhilferechtsverein e.V. (KJRV) sowie Mitarbeitenden der Stadtverwaltung Dresden gegründet. Über die Projektgruppe konnten verschiedene Interessen und Austauschrunden gebündelt und in den einjährigen Prozess der Konzepterstellung eingebunden werden.
Erste Ergebnisse: Definition und Rahmenkonzept
Der wichtigste Meilenstein ist laut Peter Kühn geschafft. Es liegt ein gemeinsamer Definitionsvorschlag der Projektgruppe vor, der sowohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen als auch die praktischen Anforderungen vor Ort miteinander vereint. Die Definition beschreibt den Personenkreis, die Mindestanzahl der Mitglieder sowie die Ausrichtung und Dauer der Zusammenschlüsse. Darüber hinaus wurde ein Modell entwickelt, welches die Aufgaben der Anregung und Begleitung näher beschreibt, die Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Gremien in den Blick nimmt und die notwendigen Fördermöglichkeiten thematisiert. Der aktuelle Entwurf des Umsetzungskonzeptes kann hier unter „Ergebnisse“ nachgelesen werden.
Wie geht es nun weiter?
Der Entwurf des Konzeptes soll nun in den relevanten Gremien, allen voran dem Jugendhilfeausschuss, in Dresden diskutiert werden. Das Ziel: ein politischer Auftrag für die Umsetzung. Entscheidend wird dabei die Frage der Finanzierung sein. Denn auch in Dresden ist – wie vielerorts – die Haushaltslage angespannt. Ganz ohne Ressourcen wird es allerdings nicht gehen, wie Peter Kühn betont. Denn die Möglichkeiten der Gründung und Mitarbeit von selbstorganisierten Zusammenschlüssen müssten erst bekannt gemacht werden. Insbesondere am Anfang erfordere dies eine engere Begleitung und Unterstützung durch die öffentliche Jugendhilfe.
Auch wenn der Prozess in Dresden noch nicht abgeschlossen ist: Den Beteiligten ist es ein Anliegen, dass möglichst viele Akteur:innen auch außerhalb der Stadtgrenze davon profitieren können. Eine solche Gelegenheit bietet beispielsweise der 18. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag in Leipzig dieses Jahr. Dort wird die Projektgruppe am 14. Mai von 10:15 bis 11:00 Uhr das Konzept vorstellen und die Ergebnisse diskutieren. Schauen Sie gern vorbei und lernen sie mit- und voneinander!
Die Stadt Leipzig ist dieses Jahr Gastgeberin des 18. Deutsche Kinder- und Jugendhilfetag (DJHT). Wir als Initiative Kommune 360° richten am 13. Mai 2025 gemeinsam mit Stefanie Goy von der Stadt Halle ein Fachforum zu unserem Planspiel aus. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist ebenfalls mit einem eigenen Stand und weiteren spannenden Angeboten vor Ort. Besonders spannend finden wir auch diesen Beitrag aus Leipzig: “Integrierte Kinder- und Jugendhilfeplanung der Stadt Leipzig – learnings für die Fortschreibung”.