Rückblick auf das digitale Symposium für kommunale Führungskräfte am 30. Juni 2022
Beteiligung in kommunalen Planungs- und Steuerungsprozessen setzt voraus, den Blick nicht nur auf Formate der Beteiligung von Adressat:innen zu richten, sondern auch weitere Akteur:innen in den Blick zu nehmen. Eine komplexe Herausforderung wie etwa gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen kann nur gemeinsam gestaltet werden. Idealerweise geht es darum, verschiedene Perspektiven – also von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Trägern, der Politik und der Verwaltung – in einen kooperativen, kollaborativen Gestaltungsprozess zu bringen. Und so in neuer Qualität Teilhabe an einer gemeinsamen Angelegenheit zu gestalten. Das heißt aber auch, dass sich die Beteiligung und das Zusammenspiel von Verwaltung, Politik, Trägern und Kindern und Jugendlichen grundsätzlich verändert – also auch in den Haltungen und Arbeitskultur der Beteiligten.
Dieser Spur hinein in den Alltag der Verwaltung folgten wir in unserem digitalen Symposium für kommunale Leitungskräfte am 30. Juni gemeinsam mit ca. 20 Teilnehmenden und unserer Referentin Birgit Schiche (Plan B. Schiche – Personalstrategie & Führung) unter der Überschrift „Partizipative Führung entwickeln“. Dabei warfen wir ganz in der jungen Tradition der Veranstaltungsreihe einen besonderen Blick auf Rolle und Möglichkeiten von Leitungskräften.
Bereits zum Eingang des Fachinputs wurde die Herausforderung unmissverständlich klar: Unter dem Eindruck einer Aufgabenverdichtung und immer wieder neuer Impulse zum Wandel werden die Anforderungen sowie die Koordination und Steuerung entsprechender Prozesse zunehmend komplexer und dynamischer. Es entstehen Herausforderungen neuer Art, die geübte bestehende Strukturen an ihre Grenzen bringen. Ein partizipativer(er) Führungsstil auf Ebene der Leitungskräfte wird hier eine wesentliche Voraussetzung für die Offenheit, Reflexion auf Augenhöhe und Bemühen aller Mitarbeitenden, das es braucht, um gemeinsam(e) Ziele zu erreichen.
Und die Referentin Birgit Schiche ist sich sicher: In Verwaltung findet dieser Wandel bereits statt. Den Paradigmenwechsel im Führungsstil beschreibt sie als den tendenziellen Übergang von einem transaktionalen hin zu einem transformationalen Führungsverständnis, in denen jeweils unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Liegt der Fokus der transaktionalen Führung eher auf Abläufen und Organisations- und Delegationsstrukturen betont das transformationale Führungsverständnis die Menschen und die Dynamiken zwischen ihnen, dem Sinn hinter den Aufgaben und ihrem eigenverantwortlichen Handeln. Letztlich kann es sich angesichts unvorhersehbarer Settings natürlich nicht um ein striktes Entweder-Oder als vielmehr um eine Bewusstwerdung und eine reflektierte Beidhändigkeit zwischen den Führungsstilen handeln. In diesem Rahmen kann aber besonders der transformationale Ansatz einige Ansätze bieten, neue Formen partizipativer Entscheidungsprozesse und kooperativen Arbeitens im eigenen Führungsbereich auszuprobieren:
Wie geht das nun genau? Wie kann ich als Führungskraft mehr Verantwortung ins Team legen?
Fangen Sie klein an, so der Rat unserer Inputgeberin Birgit Schiche (Plan B. Schiche – Personalstrategie & Führung). Erschaffen Sie Mikro-Routinen, die Schritt für Schritt zu mehr Partizipation führen. Das Motto lautet: “Think big, act small, act now.“ Sprechen Sie im Team über Rollen, also z.B. darüber, wie Entscheidungen getroffen und Arbeitstreffen gestaltet werden und wie das zukünftig gestaltet werden kann – Wer lädt ein, wer moderiert oder leitet das Treffen? Machen Sie sich gemeinsam Gedanken. Schon durch den Austausch und das anschließende gemeinsame Ausprobieren wird Veränderung angeregt.
Das kann der Anfang eines Prozesses zur Selbstorganisation sein, wie Birgit Schiche am Beispiel des Bauhofes Herrenberg (https://tug-herrenberg.de/startup-bauhof/) aufzeigt. Bei der Frage, wie schnell Versuchen der Selbstorganisation und Verantwortungsabgabe von Leitungsaufgaben im Rahmen des Tarifsystems im öffentlichen Dienst Grenzen gesetzt sind, ermutigt die Referentin zum kreativen Ausschöpfen der bestehenden Möglichkeiten, z.B. „Führung auf Probe“ (§31 TVöD) und der überall zumindest im Kleinen vorhandenen Freiräume zur Gestaltung.
Welche Möglichkeiten gibt es, Entscheidungen im Team zu treffen? Was müssen wir vorab klären, bevor wir etwas entscheiden?
Wenn Sie wissen, dass eine Entscheidung ansteht, können Sie sich in der Vorbereitung immer die Frage stellen: “Zu welcher Fragestellung passt welche Form der Entscheidungsfindung? Die Mehrheitsentscheidung als klassische Entscheidungsfindung ist weitläufig bekannt. Andere Entscheidungsformen, die den Widerstand der Beteiligten abfragen, können in bestimmten Situationen zielführender sein. Allein sich die Frage nach der Entscheidungsform zu stellen, bedeutet gedankliches Experimentieren und vielleicht neue Erkenntnisse. Und sie kann die Akzeptanz derer, die an der Entscheidung mitwirken und davon betroffen sind, erhöhen. Als methodische Unterstützung brachte uns die Referentin eine praktische Methode mit: Das Decision Poker mit verschiedenen Entscheidungsformen. (Dargestellt von Kurswechsel, hier als PDF zum Download: https://kurswechsel.jetzt/wp-content/uploads/2020/05/Decision-Poker-by-Kurswechsel.pdf )
Im abschließenden Gespräch mit den Teilnehmenden deutete sich bereits an, dass der individuelle Weg gefunden und gemeistert werden muss: Nicht jede Herausforderung ist gleich – aber Herausforderungen wird es geben. Natürlich ist es mittelfristig unverzichtbar, dass auch Rückenwind (im besten Fall in Form eines klaren Auftrages) für den Kurswechsel aus den oberen Führungsetagen weht. Aber in kleinen Schritten vorzugehen und die Menschen zu binden, die Veränderung wollen, und einen menschenorientierten Blick im eigenen Wirkbereich vorzuleben sind erste wichtige Schritte, oder anders gesagt „Ich glaube fest an die Veränderung aus der Mitte“. Natürlich gibt es auch Mitarbeitende, die sich an einseitig transaktionale Führung und ein damit einhergehend geringes Maß an Eigenverantwortung gewöhnt haben. Hier kann bei allem Veränderungswillen eine gehörige Portion Demut heilsam sein: Menschen können nicht gezielt verändert werden. Menschen mit Widerständen sind aber wertvoll, da sie uns davor bewahren im kopflosen Enthusiasmus loszulaufen. Sie sind Symptomträger, die uns anzeigen: da fehlt noch ein Aspekt, z.B. eine Information, notwendige Form der Unterstützung oder eine Perspektive.
Letztendlich muss unbedingt mit einer immer noch gängigen Vorstellung aufgeräumt werden:
(Arbeits-)Kultur lässt sich nicht direkt verändern – Kultur ist immer der Schatten, der den Strukturen folgt. Oder, mit den Worten unserer Referentin: „Sie müssen den Rahmen verändern, so dass die Menschen ihre PS ungehindert auf die Straße bringen können.”