Immer mehr Kommunen beschäftigen sich mit dem Thema Wirkungsorientierung und suchen nach Wegen, um ihrer Arbeit mehr Wirkung zu verleihen. Wenn es um Wirkungsfragen geht, ist meist der Ruf nach wirkungsorientierten Monitoringsystemen und Evaluation nicht weit. Doch die Diskurse um Wirkungsorientierung gestalten sich oft schwierig. Dann stellt sich heraus, dass die Erwartungen an Monitoringsysteme sehr weit auseinandergehen können, Zielvorstellungen noch vage sind oder Anspruch und Machbarkeit aufeinanderprallen.
Rückblick auf unsere Veranstaltung “Kommune gestaltet!” am 06. September 2022
Um den Blick auf die Perspektiven von Wirkungsorientierung in der Jugendhilfe zu schärfen und Hilfestellung zu geben, wie und wozu Wirkungsorientierung in der Kommune eingesetzt werden kann, hat die Initiative Kommune 360° am 06. September zu einer weiteren Veranstaltung der Reihe “Kommune gestaltet!” eingeladen. Nach einem Kurzimpuls aus der Initiative hatten wir noch viel Zeit und Raum für Austausch und Diskurs mit den über 60 teilnehmenden Fachkräften aus der kommunalen Verwaltung.
Die Wortmeldungen auf der Veranstaltung spiegelten unsere Erfahrung mit und in Kommunen wider und zeigten uns, dass auf der einen Seite die Arbeit mit Wirkungsorientierung bei (Jugendhilfe-) Planer:innen nichts Neues ist. Diverse Modelle, wie der Wirkungskreislauf oder die I‑O-O-I-Logik sind bereits bekannt und werden bei der Planung und Umsetzung einzelner Maßnahmen gewinnbringend genutzt. Schlagworte wie zielgerichtetes Handeln, Qualitätsentwicklung oder Beteiligung werden mit Wirkungsorientierung in Verbindung gesetzt. Schließlich ist Wirkungsorientierung auch ein Anspruch im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) oder im Bundesteilhabegesetz (BTHG) und die Auseinandersetzung mit der Umsetzung ein wichtiger Baustein der täglichen Arbeit. Auf der anderen Seite erreichen uns viele Fragezeichen auf kommunaler Ebene: wie gelingt es die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen zu erheben und darzustellen? Geht das überhaupt? Kann auch die Wirksamkeit ganzer Maßnahmenbündel nachgewiesen werden? Kann und muss die Frage der Wirksamkeit überhaupt mit Daten beantwortet werden?
Die Politik wünscht sich verlässliche Nachweise, welche Maßnahmen wirksam sind. Träger haben Angst vor Mittelkürzungen bei unzureichenden Wirkungsnachweisen. Und zeitliche und finanzielle Ressourcen, um wirkungsorientierter arbeiten zu können, sind für die meisten (Jugendhilfe-) Planer:innen im Haushalt nicht eingeplant. Dazu kommen die verschiedenen Perspektiven und Erwartungen der unterschiedlichen Akteure, um zu gemeinsamen Lösungen zu gelangen. Hier bedarf es unserer Erfahrung nach häufig zunächst einmal einer Sortierung: einer Sortierung der Begrifflichkeiten, der Einigung auf ein gemeinsames Verständnis der Wirkungsorientierung sowie – je nach Fokus und Blickwinkel – einer Sortierung der unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüche an Wirkungsorientierung.
Der Impuls: Fünf Kernbotschaften für ein Mehr an Perspektiven
Mit fünf Kernbotschaften möchte das Team der Initiative Kommune 360° für mehr Klarheit sorgen und eine Diskursgrundlage schaffen, wenn es um ein Mehr an Wirkungsorientierung in der kommunalen Jugendhilfeplanung geht. Die Kernbotschaften wurden in der Veranstaltung wie folgt vorgestellt:
Kernbotschaft 1: Konsequent vom Ergebnis denken
Wirkungsorientierung kann zunächst einmal wörtlich genommen werden: dahinter steht die Idee, dass sich das Denken und Handeln von Individuen oder auch die Prozesse und Strukturen von Systemen an gewünschten Wirkungen orientieren und ausrichten sollten. In komplexen Realitäten ist die direkte Verbindung zwischen dem Handeln und dem Ergebnis des Handelns nach einem einfachen Ursache-Wirkungs-Prinzip oft nicht eindeutig herstellbar. Das macht sowohl die Planung als auch den Nachweis der Wirksamkeit schwer. Wirkungsorientierung erhebt aber nicht zwangsläufig den Anspruch der Erbringung von Nachweisen. Wirkungsorientierung in einem weiten Verständnis beginnt damit, dass konsequent vom Ergebnis gedacht wird: also, wenn wir unser Handeln dahingehend ausrichten, was wir wahrscheinlich bei den Adressat:innen bewirken können. Wirkungsorientierte Jugendhilfeplanung sollte sich dann – vom Ende aus gedacht – daran ausrichten, im Verbund mit anderen Akteuren und den Zielgruppen selbst ein Unterstützungssystem zu gestalten, dass ein gelingendes Aufwachsen von allen Kindern bestmöglich unterstützt. Der Aufbau wirkungsorientierter Monitoringsysteme kann dabei ein hilfreiches Steuerungsinstrument sein – ist aber für sich genommen nur Mittel zum Zweck der Wirkungsorientierung.
Kernbotschaft 2: Maßnahmen- und Systemebene unterscheiden
In ihrem Arbeitskontext schauen Jugendhilfeplaner:innen nicht nur auf die Wirkung einzelner Aktivitäten und Angebote (Maßnahmenebene), sondern zugleich auf die Vielzahl von verschiedenen Maßnahmen und deren Zusammenspiel (Systemebene). Letzteres stellt sowohl Planer:innen als auch die beteiligten Akteure vor eine größere Herausforderung: denn die Summe aus isolierten, wirksamen Einzelmaßnahmen stellt allein noch kein wirkungsvolles Gesamtsystem sicher. Wie gelingt es also, dass sowohl wirksame Einzelmaßnahmen sichergestellt werden als auch verschiedene Maßnahmen und Prozesse integriert gedacht, miteinander abgestimmt und in ein wirksames Zusammenspiel gebracht werden? Wie verbessert man die Qualität der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene?
Wirkungsorientierung auf Systemebene erfordert dann das Einbeziehen aller Akteure, vor allem auch Politik, Zivilgesellschaft und die Adressat:innen selbst. Denn nur dann kann das Handeln sich an den Bedarfen und den gemeinsam abgestimmten Zielstellungen orientieren und ein Verständnis der Verantwortungsgemeinschaft entwickelt werden.
Kernbotschaft 3: Gemeinsame Verständigung über den Zweck
Wirkungsorientierung hat viele Facetten, lässt sich mit verschiedenen Erwartungen und Umsetzungsideen verbinden und wirft Fragen nach der inhaltlichen Ausrichtung auf. Doch warum überhaupt mehr Wirkungsorientierung? Wirkungsorientiertes Arbeiten im kommunalen Steuerungssystem kann verschiedene Funktionen erfüllen. Folgend vier mögliche Zwecke mit den passenden Fragestellungen, die nicht immer trennscharf sind und sich u.U. auch gegenseitig bedingen.
Zweck 1: Sinnstiftung.
Wirkungsorientiertes Arbeiten heißt u.a., sich des Sinns des gemeinsamen Arbeitens bewusst zu werden. Fragen Sie sich und die Verantwortungsgemeinschaft, warum sie miteinander ein Vorhaben umsetzen und den bevorstehenden Prozess zusammen gehen und setzen sich gemeinsame Ziele und Schwerpunkte. Besprechen Sie auch, welche Erwartungen im Raum sind, was ein jeder zu einer besseren Qualität der Ergebnisse beitragen kann, worauf sie Einfluss haben, aber auch wo Grenzen liegen. Rücken Sie das “Warum” – also den Sinn – in den Fokus, fördern Sie das eigenverantwortliche Handeln der Beteiligten, was sich motivierend auf diese und die gesamte Gruppe auswirkt.
Zweck 2: Kommunikation.
Wirkungsorientierung heißt auch, über Wirkung und den Weg dahin zu sprechen und sie für andere transparent zu machen. Welche Geschichten erzählt man wie und (mit) wem, um die Qualität der Wirkung nachvollziehbar und glaubhaft zu machen? Wir sehen Kommunikation nach innen wie nach außen als einen großen Hebel, um auf sich aufmerksam zu machen, ein Netzwerk aufzubauen und Befürworter:innen zu finden. Auch der erste erreichte Meilenstein innerhalb eines wirkorientierten Prozesses, wie z.B. die Einigung auf gemeinsame Ziele, ist ein Erfolg. Reden Sie darüber. Machen Sie jedoch auch Herausforderungen transparent sowie die Learnings, die Sie daraus ziehen. Die Beteiligung von Adressat:innen ist hierbei eine hilfreiche Diskursgrundlage.
Zweck 3: Steuerung und Planung.
Wirkungsorientierung heißt auch, gemeinsame Ziele zu setzen. Das wiederum zahlt auf Planung und Steuerung ein und macht das orchestrieren der beteiligten Akteure leichter. Unsere These: integriertes Arbeiten und eine Verantwortungsgemeinschaft auf Augenhöhe führen zu einer besseren Qualität der Interventionen und zu mehr Effizienz. Gut für den Haushalt!
Zweck 4: Qualitätssicherung.
Unter Qualitätssicherung verstehen wir mehr als das Messen von Daten und Nachweisen der Wirkung. Hierbei geht es um die Auseinandersetzung mit dem Prozess und den Ergebnissen. Was ist gut gelaufen, was nicht, was wollen wir anders machen? Der Fokus liegt hier auf eine stetige Weiterentwicklung der Zusammenarbeit und das iterative Reflektieren der Aktivitäten, welche bestmöglich auf ein Ziel einzahlen. Stichwort: Gemeinsam Lernen.
Um zu klären, welchen Zweck Sie in den Fokus rücken möchten, suchen Sie möglichst frühzeitig den gemeinsamen Dialog und machen Sie die Erwartungen der unterschiedlichen Akteure transparent. Es ist vollkommen normal, dass durch die unterschiedlichen Perspektiven dieser heterogenen Gruppe andere Erfahrungswerte und Ziele mit wirkungsorientiertem Arbeiten im Raum sein können. Die gemeinsame Verständigung darüber ist der beste Weg, um Missverständnisse und Frust zu vermeiden und kann neben dem wertschätzenden Miteinander maßgeblich zum gemeinsamen Erfolg beitragen.
Kernbotschaft 4: Unterscheidung von Wirkungsanalyse, Wirkungsorientierung und Wirkungsplausibilisierung
Wirkungsanalyse ist der Versuch, mithilfe von Daten eine Ursache-Wirkungs-Beziehung nachzuvollziehen und zu prüfen, ob man sich mit den durchgeführten Interventionen in gewünschte Richtung bewegt. Dazu werden häufig Monitoringsysteme aufgesetzt und Evaluationen durchgeführt. Doch gerade, wenn es um soziale Wirkung, also Veränderungen im Denken und Handeln oder gar in der Veränderung von Lebenswelten geht, stößt die Wirkungsanalyse häufig an Grenzen der “Messbarkeit”. Welche Maßnahme im komplexen Geflecht aus Unterstützungsangeboten hat welchen Beitrag am Aufwachsen von Kindern geleistet? Welche anderen Einflüsse waren noch im Spiel? Wirkungen auf Maßnahmenebene lassen sich in einem komplexen Umfeld oft nicht isoliert betrachten und entsprechende Entscheidungen in der Planung und Steuerung sind schwer zu treffen.
Wirkungsorientierung fokussiert in erster Linie auf eine handlungsleitende Haltung. Eine Haltung, gemeinsam konsequent ausgehend von den Bedarfen der Adressat:innen aus zu denken sowie Perspektivenvielfalt als einen großen Mehrwert zu sehen. Für die Jugendhilfeplanung heißt das also, vom gelingenden Aufwachsen her zu denken und dabei möglichst viele Blickwinkel zu berücksichtigen. Die wirkungsorientierte Arbeit verfolgt immer einen Zweck und einer sinnvollen Logik. Dabei werden gesetzte Strukturen und Prozessabläufe stets hinterfragt; zusammen mit allen wichtigen Akteuren. Diese Verantwortungsgemeinschaft aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft kann sich so auf eine gemeinsame Sprache einigen und Zielvorstellungen besprechbar machen. In dieser Art zu arbeiten stecken viele Potenziale, aber auch Grenzen. Denn die Wirkung von wirkungsorientiertem Zusammenarbeiten lässt sich nicht per quantitativ erhobenen Daten nachweisen.
Wenn die Wirkungsanalyse an die Grenzen der Messbarkeit stößt, bietet der Ansatz der Wirkungsplausibilisierung eine gute Alternative. Verschiedene Akteure werfen dabei gemeinsam einen Blick auf die vorhandene quantitative und qualitative Datenlage und diskutieren sie. Dabei ergänzen sie ihre verschiedenen (subjektiven) Perspektiven und plausibilisieren im Diskurs, welche Wirkung mutmaßlich durch bestimmte Maßnahmen erzeugt wurde. So erhält man eine andere Qualität der Entscheidungen und schafft Akzeptanz sowie Verständnis.
Kernbotschaft 5: Wirkungsorientierung als Haltung
Wie oben bereits angerissen, sehen wir Wirkungsorientierung in erster Linie als eine handlungsleitende Haltung. Eine Haltung, selbstkritisch zu sein und eine Haltung, das kooperative Miteinander zu fördern und zu fordern. Gemeinsam konsequent von den Bedarfen der Zielgruppe und den entsprechend gewünschten Wirkungen aus zu denken heißt, die Perspektivenvielfalt im Raum wertzuschätzen und diese als große Chance für eine konstruktive Problemanalyse und qualitativ hochwertige Lösungsentwicklungen zu nutzen. Ganz offen und reflektiv immer wieder das Miteinander suchen steht hier mehr im Fokus, als sich rein auf Daten zu konzentrieren.
Fazit
Im Austausch und Diskurs mit den teilnehmenden Fachkräften wurde deutlich, dass die Theorie in vielen Facetten bereits bekannt ist. Wenn es jedoch um ein wirkungsvolles Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure und verschiedener Maßnahmen geht, prallen zum einen die Erwartungen häufig aufeinander und zum anderen ist die Umsetzungspraxis mit vielen Herausforderungen verbunden.
Die Einführung und Verstetigung von wirkungsorientiertem Arbeiten ist ein mehrjähriger Lernprozess, beginnend bei den beteiligten Individuen selbst bis hin zur Weiterentwicklung von Prozessen, Strukturen und gemeinsamen Kultur auf der Systemebene. Was ist überhaupt die gewünschte Veränderung – wer wünscht sich hier was? Was ist eigentlich die Bedarfslage? Wie müssen Maßnahmen gestaltet sein, um wirksam werden zu können? Wie können alle involvierten Akteure bestmöglich dazu beitragen? Um diese Fragen zu klären, braucht es
- Dialogfähigkeit,
- Reflexions- und Lernbereitschaft,
- Anerkennung und Wertschätzung verschiedener Perspektiven,
- Beteiligungsorientierung sowie
- Kooperationsfähigkeit.
Bleiben Sie deshalb im Diskurs mit allen Akteursgruppen, gehen Sie wo möglich kleinschrittig vor, wägen Sie ab und reflektieren. Machen Sie sich der Potenziale, aber auch der Grenzen bewusst und schauen Sie gemeinsam, wo es besonders wichtig ist, am Ball zu bleiben und welche Prioritäten im Rahmen des Möglichen gesetzt werden müssen. Machen Sie sich bewusst, dass sich Wirkungsorientierung nicht von jetzt auf gleich implementieren lässt. Welchen kleinen Schritt wollen Sie als nächstes gehen?