Szenarien, Prognosen, ein Blick in die Zukunft – das klingt alles immer ein bisschen nach Krake Paul, Wetterfrosch oder Glaskugel. Aber Jugendhilfeplaner:innen wissen es besser: Die Arbeit mit Daten aus den vergangenen Jahren und Annahmen über künftige Entwicklungen ist zentraler Bestandteil einer soliden Angebotsplanung von Kita-Plätzen oder anderen Betreuungsmöglichkeiten.
Wie genau die Arbeit mit Szenarien und Prognosen in der Jugendhilfeplanung in der Praxis aussehen kann und welche Effekte dies für die Zusammenarbeit in der Verwaltung mit sich bringt, haben wir in unserer Veranstaltung “Kommune gestaltet!” am 17. Mai mit unserem Referenten Günter Katheder-Göllner aus dem Landkreis Augsburg diskutiert.
Das Landratsamt des Landkreises Augsburg hat im Jahr 2018 ein Prognosetool zur Kita-Bedarfsplanung entwickelt. Der Landkreis ist von Zuzügen und steigenden Geburtenzahlen geprägt, so dass nicht nur im urbanen Zentrum Augsburgs, sondern auch in den weiteren kreisangehörigen Gemeinden die Nachfrage nach Betreuungsplätzen im Kita-Alter zunimmt. Um die Kommunen dabei zu unterstützen, dieser Nachfrage gerecht zu werden, hat der Landkreis in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialplanung SAGS ein Tool entwickelt, das die vorausschauende Planung erleichtert. Mittlerweile nutzen zwei Drittel der Kommunen im Landkreis dieses Planungsinstrument als Diskussions- und Entscheidungsgrundlage.
Im Austausch mit Herrn Katheder-Göllner diskutierten wir, was die Vorteile und Grenzen des Instruments sind und wie die Anwendung solcher Angebote die Planungs- und Handlungsfähigkeit einer Kommune unterstützen kann.
Mehr als nur Geburtenzahlen
Dabei wurde eines sofort deutlich: Für die Entwicklung belastbarer Szenarien reicht ein einfacher Blick in die Geburtenzahlen nicht aus. Es bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung des kommunalen Lebens: Wie steht es um Zu- und Wegzüge? Wie viele und welche Art von Wohnraum wird geschaffen? Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt vor Ort? Welche Fachkräfte werden gesucht? Und was ist eigentlich, wenn alles ganz anders kommt?
Im Prognosetool zur Kita-Bedarfsplanung des Landkreises Augsburg werden all diese Daten (und viele weitere, wie z.B. der Betreuungsschlüssel) im Kontext analysiert, so dass deutlich wird, wie sie sich auf die Entwicklung des Kita-Bedarfs auswirken (können). Hier zeigt sich, dass die Arbeit mit Szenarien und Prognosen letztlich eine systemische Betrachtung voraussetzt.
Bereichsübergreifende Zusammenarbeit
Und das mit dem Systemischen setzt sich auch innerhalb der Verwaltung fort: Die Einführung des Prognosetools im Landratsamt Augsburg ließ die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfeplanung und Kitafachberatung aufleben. In der Vergangenheit arbeiteten diese Bereiche weitestgehend isoliert voneinander, doch durch die Entwicklung des Prognosetools und die Begleitung bei der Anwendung in den kreisangehörigen Kommunen wurde eine Zusammenarbeit notwendig.
Es werden Daten aber auch Perspektiven ausgetauscht und Fragen im Dialog geklärt. Dieser Effekt stellt sich dann auch bei den Kommunen ein, die das Tool nutzen: Hier arbeitet eine kommunale Steuerungsgruppe bestehend aus der Kitafachberaterin, dem Kämmerer, der Oberbürgermeisterin und weiteren relevanten Kolleg:innen zusammen, um die Prognosen zu diskutieren und gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Hier sehen wir erneut die Notwendigkeit, aber vor allem den Mehrwert, der aus einer integrierten Planung und der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit entsteht.
Frühe Hilfen, Kindertagesbetreuung oder Jugendhilfeplanung sind eng miteinander verknüpft – sie entwickeln Angebote für Kinder und ihre Familien, die ein gelingendes Aufwachsen fördern sollen – dennoch sind sie häufig in eigenen Fachbereichen isoliert und finden nicht immer an einen Tisch. Sobald dies aber erforderlich ist, zeigen sich die Synergien des Austausches auf kollegialer Ebene ebenso wie auf der Ebene des Daten- und Wissensaustauschs.
Über den Tellerrand
Eine dritte Erkenntnis, die wir aus der Veranstaltung mitgenommen haben, ist, dass bereits viele Kommunen in ganz Deutschland auf verschiedene Art und Weise mit Szenarien und Prognosen arbeiten. So gibt es neben dem Beispiel aus Augsburg auch das Hildesheimer Modell, Lösungen auf Landesebene wie in Schleswig-Holstein, oder Prognosetools für Großstädte. Hier zeigt sich der Bedarf auf kommunaler Ebene zukunftsorientiert zu agieren und Annahmen über künftige Entwicklungen so fundiert wie möglich zu treffen.
Wenn Sie auch ein Beispiel für die integrierte Planung mit Hilfe von Szenarien und Prognosen haben, dann schreiben Sie uns gerne eine Nachricht!
Lothar Girrbach
Bei der Veranstaltung ist deutlich geworden, dass mehrer Kommunen (Städte, Gemeinden und Landkreise) mit Bevölkerungsmodellen und Kita-Modulen arbeiten. Ich würde es gut finden, wenn mehrere Modelle vorgestellt werden und nicht nur eins. Besonders das Modell das ihr vorgestellt habt, wird von dem Institut in einer Stadt in dem Landkreis verwendet für den ich zuständig bin. Und das Tool liefert andere Zahlen als das Tool, dass ich verwende. Das Problem ist, dass Plätze real fehlen, das Toll der Stadt das wohl nicht hergibt, meines jedoch schon. Auf Grund dessen fände ich es gut, wenn nicht ein Tool besonders hervorgehoben wird, sondern mehrere vorgestellt werden. Außerdem können andere Tools noch mehr als Kita-Plätze. Zum Thema integrierte Planung.
Annalena Rehkämper
Lieber Herr Girrbach, vielen Dank für diese Anregung! Das ist nochmal ein spannender Einblick, den wir so noch gar nicht hatten. Daher nehmen wir das mit und melden uns dazu noch einmal bei Ihnen. Noch einmal Danke und bis bald, Annalena Rehkämper