Kinder und Jugendliche sind Expert:innen für ihre Lebensrealitäten. Wer sie beteiligt, greift auf ihr Expert:innenwissen zu. Das ist nicht nur wichtig und richtig, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben. Wer lediglich Bedürfnisse erhebt, schöpft das Potenzial der Beteiligungsmöglichkeiten im Jugendhilfeplanungsprozess allerdings nicht aus. Wir zeigen auf, wann Beteiligung an Grenzen stößt und wie Verwaltungsmitarbeitende diese Grenzen mithilfe eines integrierten Planungsverständnisses verschieben können.
Beteiligung in der Jugendhilfeplanung
Die Aufgaben der Jugendhilfeplanung lassen sich grob in drei Schritte unterteilen: Bestandserhebung, Bedarfsermittlung und Maßnahmenplanung. Jeder dieser drei Schritte bietet Ansätze, um junge Menschen zu beteiligen. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Berücksichtigung der Interessen bei der Bedarfsermittlung. In der Realität findet Jugendbeteiligung jedoch überwiegend bei der Bestandserhebung und der Maßnahmenplanung statt, schöpft aber auch hier das Potenzial selten aus.
Wir beobachten, dass Beteiligung im ersten Schritt – der Bestandserhebung – vor allem projekt- bzw. anlassbezogen stattfindet. Oft sind die Anlässe für Beteiligungsprojekte dann bereits vorbestimmt. Welche Themen Kinder und Jugendliche selbst gerne bearbeiten möchten, spielt seltener eine Rolle oder ist im Zweifel gar nicht bekannt.
Im zweiten Schritt – der Bedarfsermittlung – ist Beteiligung häufig weniger stark ausgeprägt, obwohl die Gesetzgebung an dieser Stelle sehr deutlich auf die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien verweist. Die festgestellten Bedürfnisse junger Menschen treffen hier auf teilweise exklusive Entscheidungsgremien (ohne Zugang oder Mitspracherecht für die Zielgruppe). Oft wird der Kontakt zu den jungen Menschen nicht konsequent aufrechterhalten. So fragt man zwar das Wissen und die Expertise der Kinder und Jugendlichen ab, in den weiteren Prozess involviert man sie aber nur nachrangig. Die Folge: Trotz der Beteiligung laufen Maßnahmen Gefahr, an den Bedürfnissen und Wünschen der Zielgruppe(n) vorbei geplant zu werden.
Bei der Maßnahmenplanung beteiligt man Kinder und Jugendliche zu oft in einem engen Korsett und zu einem Zeitpunkt, an dem vieles schon feststeht. Zur Frage steht dann z. B. eher die Art der Spielgeräte auf dem neuen Spielplatz – aber nicht, ob der Spielplatz selbst die richtige Maßnahme ist.
Jugendhilfeplanung als strategischer Prozess einer kooperativen Kommune
Die (direkte) Beteiligung junger Menschen in der Jugendhilfeplanung stößt an Grenzen, die sich durch ein integriertes Planungsverständnis überwinden lassen. Statt von einer Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sollten wir von einer Kooperation mit allen am Aushandlungsprozess beteiligten Akteur:innen inklusive der Kinder und Jugendliche sprechen: Hierzu gehören die Verwaltung, die Politik, die (un)organisierte Zivilgesellschaft sowie die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe.
Vor dem Hintergrund des Krisenmodus als Dauerzustand sind wir überzeugt: Gelingendes Aufwachsen kann durch eine gute Jugendhilfe(-planung) und nur in gemeinsamer Verantwortung aller an der Jugendhilfe beteiligten Akteur:innen sichergestellt werden. Dazu muss die Jugendhilfeplanung als strategischer Prozess wahrgenommen werden. Wenn das gelingt, kann die Jugendhilfe durch eine kooperative Haltung der Akteur:innen an Qualität gewinnen.
So stärken Sie die Perspektiven und Interessen von Kindern und Jugendlichen in Ihrer Kommune
Es gibt unterschiedliche Wege und Hebel, mit denen kommunale Verwaltungen die Voraussetzungen für gute (direkte) Beteiligung von Kindern und Jugendlichen stärken können. Drei strategische Ansatzpunkte stellen wir Ihnen im Folgenden vor. Die Fragen laden Sie dazu ein, die Jugendhilfeplanung in Ihrer Kommune mit anderen Augen zu betrachten:
- Erkennen Sie die Expertise der jungen Menschen für Ihre Lebenswelt an?
Sie nehmen Kompetenzen und Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen ernst, indem Sie kontinuierliche Beteiligungsprozesse etablieren, die über den Schritt der Bedarfserhebung hinausgehen. So können Sie z. B. themenunabhängig die Interessen junger Menschen ermitteln oder regelmäßig Feedbackschleifen mit Ihnen in der Bedarfsplanung einbauen. - Wie erschließen Sie direkte Zugänge zu den Lebenswelten Ihrer Zielgruppe?
Berücksichtigen Sie dafür z. B. auch Kontakte über Sozialräume oder Institutionen und die Expertise freier Träger und Einrichtungen. - Entwickeln Sie gemeinsame Ziele und Strategien über Fachbereiche hinweg?
Das ist z. B. möglich, wenn Sie Ihre Ausrichtungen miteinander harmonisieren, indem Sie Planung und Themen aufeinander abstimmen. So lassen sich Ressourcen effizienter nutzen und Aufwände sogar reduzieren. - Nutzen und interpretieren Sie Daten gemeinsam mit anderen Abteilungen?
Dafür braucht es ein zuverlässiges Wissensmanagement. Bereichsübergreifende Planungsrunden bieten die Möglichkeit, Informationen mit anderen Abteilungen zu teilen. Im nächsten Schritt können Sie mit Kolleg:innen kollaborieren und bereichsübergreifende Interpretationen und Ableitungen von Handlungsempfehlungen erarbeiten.
- Welche Verhandlungs- und Entscheidungsorte gibt es?
Mitsprache- und Entscheidungsrechte aller Beteiligten sollten in diesen Verhandlungs- und Entscheidungsorten fest verankert sein. Auf diese Weise lässt sich die Perspektive der Zielgruppe institutionalisieren. Mit einer Gremienanalyse können Sie zudem prüfen, ob die geschaffenen Regelstrukturen adressat:innengerecht gestaltet sind (was im Übrigen ein gesetzlicher Auftrag ist). - Gibt es Brücken zwischen den verschiedenen Systemen?
Schulungen, die Mitarbeiter:innen für die Lebenswelt und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sensibilisieren, können dafür eine sinnvolle Investition sein. Auch die Vorbereitung junger Menschen auf Politik- und Verwaltungsprozesse sollte mitgedacht werden.
- Bieten Sie einen Handlungsrahmen für eine kooperative (Jugendhilfe)Planung?
Beteiligungsleitlinien, die verbindliche Regelungen zur Planung, Umsetzung und Qualität von Beteiligung vorgeben, können ein Baustein solch eines Handlungsrahmens sein. Diese Leitlinien lass sich durch ein Beteiligungskonzept ergänzen, das Rahmenbedingungen und konkrete Maßnahmen in der Jugendhilfeplanung enthält. - Denken Sie groß, aber machen Sie einen Schritt nach dem anderen!
Ermöglichen Sie Erfolge, indem Sie mit konkreten Projekten und erprobten Ansätzen starten. Probieren Sie sich aus und adaptieren Sie Ansätze von anderen. So bieten Sie Raum für Weiterentwicklung und stetiges Lernen.
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Der Kommunen-Podcast zur
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Kinder- und Jugendbeteiligung ist der Schwerpunkt der ersten Staffel des Kommunen-Podcasts. In neun Folgen sprechen Kinder, Jugendliche und Expert:innen über ihre Erfahrungen, Wünsche und Empfehlungen für gelingende Beteiligung. Die einzelnen Folgen behandeln Themen wie die Senkung des Wahlalters oder den Unterschied zwischen Kinder- und Jugendbeteiligung auf dem Land und in der Stadt.
K360-Planspiel zur
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