Sessionblitzlicht aus unserem Barcamp kindGERECHT_beteiligen
Dass Beteiligung an kommunalen Prozessen nicht voraussetzungslos ist, scheint ein Gemeinplatz. Die Diskussion und Erörterung sind dabei jedoch oft auf die Perspektive derjenigen fokussiert, die schnelle und gute Lösungen suchen: die Organisator*innen von entsprechenden Verfahren. Zu welchen Inhalten sind zu welchem Zeitpunkt auf welchem Wege (also mittels welcher Formate) am günstigsten und gewinnbringendsten Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungsfindung einzubeziehen?
Mit dieser Fragestellung beschäftigten wir uns auch auf der Session „Beteiligung von Kindern und Familien in Risikolagen oder Das Beteiligungsdilemma“ unseres Barcamps kindGERECHT_beteiligen im März. Konkret und transparent kommunizierte Ziele, Beteiligungsinhalte und ‑spielräume sind und bleiben ohne Frage unverzichtbare Grundlagen für gelingende Beteiligung.
Der Schwerpunkt des angeregten Sessiongesprächs lag dann aber doch v.a. auf der Bedeutung der Perspektive der zu Beteiligenden selbst, insbesondere wenn es sich um Kinder und Jugendliche in benachteiligenden Lebenslagen handelt. Ihre Teilnahme an klassischen Beteiligungsformaten kann nicht als selbstverständlich angenommen werden, so die Teilnehmenden der Runde. Und zu Beginn der knapp 45-minütigen Suche nach Handlungsansätzen sammelten sich zunächst noch weitere Fragen an: Werden Kinder und Familien in benachteiligenden Lebenslagen durch digitale Beteiligungsformate und Tools noch ein weiteres Mal „ausgeschlossen“ (z.B. qua Mangel an technischer Ausstattung)? Warum werden Kinder und Jugendliche so oft nicht an Entscheidungen in kommunalen Planungsprozessen beteiligt, wo es sich anbieten würde und niedrigschwellig möglich wäre?
Die größte Herausforderung sahen die Teilnehmenden an der Schnittstelle der oder auch dem Gap zwischen den Interessen der diversen kommunalen Akteur*innen an Beteiligungsverfahren. Leitungskräfte der kommunalen Verwaltung und Politik mögen auch das Interesse haben, mit Beteiligungsverfahren eigene Entscheidungen und Projekte oder auch die eigene Person und/oder Verwaltung zu legitimieren und aufzuwerten. Planungsfachkräfte haben ein natürliches Interesse an der anschließenden Verwertbarkeit der Ergebnisse im Rahmen der Planungsverfahren. All diese Interessen scheinen berechtigt, aber können darauf reduziert dazu führen, dass die Sensibilität für die Interessen der Menschen verloren geht, die beteiligt werden sollen. Zum Beispiel wenn, so die Beobachtung in der Runde, Kinder und Jugendliche nicht zu den Themen beteiligt werden, die aus ihrer Perspektive tatsächlich relevant sind und die sie interessieren. Auch kann, so eine Teilnehmerin, bereits die Adressierung und Funktionalisierung „als Zielgruppe“ an dem Autonomiebedürfnis von Jugendlichen anecken. Eine in Folge (auch passive) Verweigerung der Teilnahme an solchen als „fremd” oder lebensweltlich irrelevant empfundenen Beteiligungsverfahren wird dann zumeist nicht als akzeptabel angesehen und kann so gesellschaftlichen Ausschluss informell noch zementieren.
Aber müssen politisch Verantwortliche und Planungsfachkräfte sie nicht weiterhin klar und deutlich gerade zu den Themen befragen, die für das jeweilige Verfahren bzw. die Entscheidung relevant sind?
Dem wurde allenthalben zugestimmt, unter der Voraussetzung, dass bei der Beteiligung die Einbeziehung der lebensweltlichen Perspektiven der Kinder optimiert werde. Das finge z.B., so eine Teilnehmerin, bei der Auswahl der Orte für Beteiligungsverfahren an. Hier müssen die Vorerfahrungen der Kinder besonders in pädagogisch besetzten Räumen unbedingt berücksichtigt werden.
Die Erfahrung von (insbesondere gesellschaftlicher) Selbstwirksamkeit als subjektive Grundlage der Teilnahme an formalen Verfahren sei eben nicht vorauszusetzen. Daher brauche es zusätzlich informell sozialräumlich und institutionenübergreifend breite und zeitlich kontinuierliche Ansätze, um Kinder und Jugendliche Schritt für Schritt Selbstwirksamkeit erfahren und erleben zu lassen (positiv genannt wurden hier etwa strukturelle Ansätze wie „Kinderfreundliche Kommunen“). Tägliche Kommunikation, Kennenlernen, Gespräche sind nicht nur schon erste Erfahrungsschritte in Richtung Partizipation, sondern können auch Quelle der Wahrnehmung von Bedarfen, Wünschen und Perspektiven der Kinder und Jugendlichen in der Kommune darstellen. Damit werden pädagogische Fachkräfte zu gestaltenden Multiplikator*innen von Beteiligung ebenso wie zu potentiellen Lebensweltexpert*innen in kommunalen Beteiligungsverfahren.