In gelingender Beteiligung von Kinder- und Jugendlichen am Prozess der Jugendhilfeplanung liegt eine ungeheure Chance für erhöhte Wirksamkeit und Bedarfsgerechtigkeit von Maßnahmen und Leistungen der Jugendhilfe.
Und wir denken: Kinder und Jugendliche können viel mehr als „Wunschzettel“ schreiben. Ihre Perspektive als Expert:innen ihrer Lebenswelt ist in den Phasen der Bedarfsfeststellung und Maßnahmenplanung wichtig, u.a. um ihre Bedürfnisse angemessen interpretieren zu können und Fehlplanungen zu reduzieren.
Kommunale Kinder- und Jugendgremien könnten genau das beitragen: eine kontinuierliche „Qualitätskontrolle durch Kindperspektive“!
Die gute Nachricht ist, dass Kinder- und Jugendparlamente, ‑gremien und ‑beiräte, in vielen Kommunen mittlerweile etablierte Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung sind. Es lässt sich jedoch auch beobachten, dass es mit der Einrichtung eines Kinder- und Jugendgremiums meist nicht getan ist. Sie stellt nur eine Station in einem kommunalen Prozess hin zu mehr und ernsthafter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen dar. Wie lassen sich also die Potentiale von Kinder- und Jugendgremien wirklich ausschöpfen?
Etablierung von Kinder- und Jugendgremien in der Kommune braucht Haltung und politischen Willen
Möchte man es nicht bei legitimierenden Effekten an der Oberfläche belassen, sondern ernsthaft beteiligen und damit die Wirksamkeit und Qualität von Planung steigern, braucht es viel Offenheit und Willen zur Veränderung. Auch bei den Empfehlungen der Studie “ Starke Kinder- und Jugendparlamente. Kommunale Erfahrungen und Qualitätsmerkmale“ (2018) stehen die Zeichen daher auf „Politischer Wille“, „Auftrag“ und „Implementierung“. Die Autoren sind hier der Frage nach Faktoren für gelingende Beteiligung durch Kinder- und Jugendparlamente nachgegangen und haben insgesamt 20 Qualitätsmerkmale herausgearbeitet, an denen man sich (im besten Falle vor der Gründung eines eigenen Jugendgremiums) gut orientieren kann.
Deutlich wird: nicht die Kinder und Jugendlichen und ihre kommunalen Anwält:innen sollten ihre „Nützlichkeit“ in einem ansonsten unveränderten System „beweisen“ müssen. Die notwendige Augenhöhe beginnt mit einem ernsthaften Willen zur Beteiligung auf politischer Ebene, der in entsprechende Beschlüsse überführt werden muss.
Auch wenn die Zuständigkeit aus naheliegend fachlichen Gründen gerne bei der Jugendhilfe gesehen wird, liegen Verantwortung und gesetzliche Verpflichtung in erster Instanz bei der Kommune, so Sven Gräßer (Deutsches Kinderhilfswerk e.V.) in unserem Workshop zu dem Thema auf dem K360 Festival im Juni 2024. Gelingende Beteiligung fängt an, wenn der Rahmen klar benannt werden kann – was ist möglich, was ist nicht möglich.
Praxistipp: Für kommunale Gremien von Kindern und Jugendlichen gilt wie für jedes Gremium in wirkungsorientierten Prozessen: Form follows function.
Das bedeutet: Welche Funktionen (u.a. beraten, entwickeln, Entscheidungen vorbereiten oder sogar entscheiden) soll das Jugend-Gremium in der Kommune erfüllen und in welchem Ausmaß? Wie muss das Gremium mit seinem Funktionsmix in andere Gremien angebunden werden, wo gibt es Überschneidungen? Welche Rahmenbedingungen, Mandate und Ressourcen (Personal für Begleitung, frei verfügbares Budget, u.a. ) braucht es, damit die Aufgaben erfüllt werden können?
Willkommen an Bord – Kinder und Jugendliche ankommen lassen
Eine offene und kooperative Haltung von Politik, Verwaltung und weiteren kommunalen Akteuren ist ein wichtiger Ausgangspunkt starker und wirkungsvoller Kinder- und Jugendgremien – und zugleich fortwährender Garant einer konstruktiven Zusammenarbeit. So berichtete Paul Marr (Vertreter des Jugendforums eines Thüringer Landkreises) in unserem Festival-Workshop von seinen anfänglichen Schwierigkeiten im Landkreisjugendhilfeausschuss zu wirken.
Ohne Einführung in die Rollen und Zusammensetzung des Ausschusses und mangels Verständnis der Amtssprache in vorhandenen Protokollen oder Tischvorlagen fiel es dem damals 17-Jährigen Schüler zunächst schwer, seine Rolle und Funktion angemessen ausfüllen zu können. Mittlerweile hat sich das glücklicherweise geklärt:
Hier geht es nicht nur um Arbeits- und Willkommenskultur in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern auch um die konkrete Begleitung und Unterstützung durch ermöglichende Fachkräfte in der Verwaltung.
Praxistipp: Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen kann eine Chance darstellen, die generellen Standards des Onboardings und Rollenklarheit in kommunalen Entscheidungsstrukturen wertschätzend zu überprüfen. Wer ist hier mit welcher Perspektive da und verfügt er/sie über ausreichend Einblick, diese gut einbringen zu können? Von einem transparenten Wissensmanagement können nicht nur die jungen und jugendlichen Teilnehmenden profitieren.
Kinder- und Jugendgremien in der Kommune vernetzt denken
Hemmschwellen für die Beteiligung in Gremien im Blick zu behalten und fortwährend abzubauen kann außerdem noch deren Repräsentativität maßgeblich erhöhen. Nicht alle Jugendlichen, die ein Interesse daran haben, ihre Kommune zu gestalten, verfügen über das Selbstbewusstsein, Ressourcen und Kompetenzen sich in ein parlamentarisches Gremium wählen zu lassen. So ist der Mangel an Diversität ein geläufiger Kritikpunkt an dieser Form der Beteiligung. Von einem Ansatz, der dem von Anfang an entgegenwirkt, berichtete Stefanie Lippitsch (DKJS/Kommune 360°) in unserem Workshop auf dem K360 Festival. Im Rahmen des Pilotvorhabens eines Kinderbürger:innenrates in Moritzburg (Sachsen) sollen die Teilnehmenden in der Kommune zufällig bestimmt werden. Um die so gelosten Kinder im Grundschulalter anschließend tatsächlich für eine Teilnahme am Gremium zu gewinnen, wird eng mit Bezugspersonen in deren Lebenswelt zusammengearbeitet – im Moritzburger Projekt sind das konkret die Pädagog:innen der kommunalen Horteinrichtungen.
Das ist nur ein Beispiel für die Potentiale, die in der Vernetzung von kommunalen Formen und Orten Kinder- und Jugendbeteiligung liegt.
Oder wie Sven Gräßer in unserem Workshop mitgab: Kinder- und Jugendgremien sind nicht die einzige Form der Kinder- und Jugendbeteiligung in der Kommune, haben aber den besonderen Effekt, die gesamte Beteiligungslandschaft zu befördern. Damit Beteiligung auf kommunaler Ebene gut funktionieren kann, braucht es die Kooperation zwischen allen Beteiligenden.