Ein Gastbeitrag von Dr. Theresa Hilse-Carstensen, Kariem Soliman und René Eichelberger, IKPE
Kommunale Verwaltungen stehen, trotz ihres auf Kontinuität beruhenden Versorgungsauftrags permanent unter auf sie einwirkenden Änderungs- und Anpassungsimpulsen. Insbesondere die Corona-Pandemie hat Verwaltungen in den letzten Jahren herausgefordert, bewährte Handlungsmuster in Frage gestellt und eine rasche Anpassung der kommunalen Verwaltungs- und Planungsstrukturen erfordert. Der Fokus, Krisen auch als Gelegenheitsfenster für kreative Lösungsansätze zu interpretieren motivierte das Institut für kommunale Planung und Entwicklung e.V. An-Institut der FH Erfurt (IKPE) eine Studie zur Zukunft kommunaler Planung durchzuführen (siehe Soliman et al. 2022) und Erkenntnisse sowie Diskussionsfragen in einem Workshop für das Festival für innovative Planung zu bündeln.
Der Workshop „Lernen aus Krisen“ begann mit dem Kooperationsspiel „Strippenzieher“. Die Teilnehmenden hatten die Aufgabe, gemeinsam, mittels eines, an Strippen befestigten Stiftes, einen Smiley zu zeichnen. Diese Herausforderung symbolisierte die Notwendigkeit zum Koordinieren unter ungewohnten Voraussetzungen. Die, scheinbar koordinierungserfahrenen, Teilnehmenden einigten sich vorab über die Perspektive der finalen Abbildung und den detaillierten Ablauf zum Zeichnen der Gesichtselemente. Durch diese zielgerichtete Kommunikation konnte die Aufgabe äußerst zufriedenstellend erfüllt werden. Wir halten fest: Kommunikation kann als relevanter Schlüssel zum koordinierten (Verwaltungs-) Handeln gesehen werden.
Im Rahmen von Gruppendiskussionen an den Thementischen „Krise“ und „Lernen“ wurde deutlich, dass aufgrund der vielfältigen Assoziationen mit dem Thema Krise eine einheitliche Begriffsdefinition realitätsfern erscheint. Des Weiteren distinguierten die Teilnehmenden zwischen Problem und Krise, wobei eine Person die Verwaltung als Problemlöser beschrieb. Sobald sich die Verwaltung am Rande der Handlungsunfähigkeit befindet, durch bspw. Fachkräftemangel oder historische Wendepunkte, werden Probleme zur Krise bzw. als solche von der Verwaltung wahrgenommen. Die Ambivalenz des Krisenbegriffs zeigt auf, dass Verwaltungen aus extern verursachten Krisen und deren Fortbestand lernen können, trotz der Gefahr eigene Handlungsfähigkeit einzubüßen.
Die Teilnehmenden nannten neben aktuellen Krisen weitere Herausforderungen der Verwaltungen, insbesondere den Personal- und Fachkräftemangel sowie eine suboptimale Lerndokumentation. Das Aufrechterhalten der Handlungsfähigkeit wurde als Schwelle zwischen Herausforderungen und Krise beschrieben. Das Lernen wird hierbei als Chance gesehen, besser mit aktuellen Herausforderungen umgehen zu können.
Beim Thementisch „Lernen“ zeigte sich, dass auch abseits von Krisen organisationales Lernen stattfinden sollte. Dies geschieht jedoch in den wenigsten Fällen, insbesondere aufgrund fehlender Dokumentation gelingender Lösungen und Anreizmechanismen.
Nach einem Gruppenwechsel an den Thementischen bestand die Herausforderung der einen Gruppe darin, den zuvor implizit genutzten Krisenbegriff zu schärfen. Dies erwies sich, abgesehen von der Nennung aktueller Krisen, als komplex. Über den Begriff des Lernens entwickelte sich eine Diskussion zu der Lernfähigkeit, den Umgang mit Personalherausforderungen hin zu dem Ziel der Aufrechterhaltung von Leistungsfähigkeit. Die Gefährdung der Leistungsfähigkeit als mögliche Sichtweise auf Krise(n) wurde als Impuls für Lernen interpretiert.
Resümierend wird deutlich, dass Unterschiede im Diskussionsverlauf zwischen den Gruppen erkennbar sind: Die Teilnehmenden, die von der Krise ins Lernen wechselten, sahen die Krise als Notwendigkeit zum organisationalen Lernen und nannten u.a. das Ziel zum Status-Quo zurückzukehren. Die Diskutanten, die vom Lernen in die Krise geführt wurden, gaben mehrheitlich an, dass Lernen ein permanenter Auftrag an Verwaltungen sei, wobei auch organisationsinterne und externe Netzwerke unterstützend wirken können. Im Fokus stehen die Dokumentation und das Aufrechterhalten des Gelernten in Krisenzeiten.
Abschließend wurden aktuelle Krisenbegriffe sowie der Übergang vom kriseninternen zum krisenübergreifenden Lernen anhand der Studie von Bauer et al. (2022) im Plenum präsentiert. Dies knüpfte sehr gut an den vorherigen Diskurs an und wurde von den Teilnehmenden wertschätzend aufgenommen. Mit konkreten Ergebnissen aus der IKPE Studie „Zukunft der kommunalen Planung – Lernen aus Krise(n)“ (Soliman et al. 2022) wurde empirisch bestätigt, dass ein Mehr an Kooperation dazu führt, dass in Verwaltungen Lernprozesse initiiert, gefestigt und institutionell verstetigt werden können. Das Lernen in Netzwerken ermöglicht es Organisationen aus der Krise für die aktuelle Krise sowie für künftige Krisen zu lernen und ihre Handlungsfähigkeit langfristig zu bewahren oder sogar zu stärken.
Das IKPE-Team dankt den Teilnehmenden des Workshops für die Diskussionsbereitschaft sowie dem Team von Kommune 360° für die Organisation des Festivals und die damit verbundene Möglichkeit, aktuelle Ergebnisse und Diskussionsfragen vorzustellen und zu erörtern.
Quellen
Bauer, M.W. / Otto, J. / Schomaker, R.M. (2022): “Kriseninternes Lernen« und »krisenübergreifendes Lernen« in der deutschen Kommunalverwaltung. In: ZPol 32, 787–804 (2022). https://doi.org/10.1007/s41358-022–00323‑5
Soliman, K.; Fischer, J.; Hilse-Carstensen, T.; Huber, S. und Döbel I. (2022b). Zukunft der kommunalen Planung – Lernen aus Krise(n). Kurzdarstellung von Studienergebnissen. Hg. v. IKPE Institut für kommunale Planung und Entwicklung e.V. An-Institut der FH Erfurt (IKPE). https://www.ikpe-erfurt.de/wp-content/uploads/2022/11/Final_IKPE-A4-Broschuere-Factsheet-web.pdf
Gastautorin: Dr. Theresa Hilse-Carstensen, ist Sozialarbeiterin und als stellvertretende Institutsleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin seit 2017 beim IKPE tätig. Dort übernimmt sie die fachliche Begleitung des Landesprogramms „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“.
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